Untersuchung der Gesteine (Brandbg. Tor)

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Untersuchung der Gesteine

Ferdinand Damaschun
Uwe Jekosch

Auszug aus der Monographie
Das Brandenburger Tor 1791 - 1991
Verlag Willmuth Arenhövel Berlin 1991


Das Brandenburger Tor wurde aus Sandstein errichtet, und auch später bei den Restaurierungen verwendete man immer wieder Sandstein, allerdings wechselte die Herkunft. Die Gründe dafür sind heute nur noch schwer nachvollziehbar. Sicher spielten Verkehrsverbindungen, Erkenntnisse über die Beständigkeit, aber durchaus auch politische Verhältnisse eine Rolle.

Mit einer Kartierung aller auftretenden Sandsteinvarietäten und den Untersuchungen an diesen Gesteinen sollten folgende Ziele verfolgt werden:

- Unterstützung bei der Dokumentation der Restaurierungsgeschichte;
- Untersuchung über die Abhängigkeit zwischen den mikroskopisch festgestellten Eigenschaften der einzelnen Sandsteintypen und ihrem Verwitterungsverhalten; und
- das Erkennen von Bereichen besonderer Bauwerksgefährdung im Zusammenhang mit der Abschätzung zukünftiger Schadensanfälligkeit der Gesteine.

Dazu wurde versucht folgende Fragen zu beantworten:
- Gesteinstyp und deren Herkunft;
- Mikroskopische und physikalische Eigenschaften der Gesteine;
- Verwitterungszustand der Gesteine;
- Abschätzung des zukünftigen Verwitterungsverhaltens.

Die eigentlich als Voruntersuchungen gedachten Arbeiten konnten wegen des Termindruckes für die Fertigstellung nur zeitgleich mit der Restaurierung vorgenommen werden.

Petrographische Kartierung

Als erster Schritt wurde eine petrographische Kartierung des Bauwerks durchgeführt. Dabei wurde Block für Block visuell untersucht und die Sandsteinvarietät in Meßphotos eingetragen. Es konnten anhand dieser Untersuchungen vierzehn Sandsteinvarietäten unterschieden werden. Die Varietätnummernvergabe erfolgte in der Reihenfolge des Auftretens der Varietät während der Kartierung.

Die vierzehn gefundenen, äußerlich verschiedenen Sandsteinvarietäten lassen sich nach mikroskopischen Untersuchungen den drei  Fundgebieten Cotta und Posta in Sachsen sowie Rackwitz in Schlesien (heute Polen) zuordnen.

Während für das Gesamtbauwerk nur die Werksteine kartiert wurden, wurde an zwei ausgewählten Bereichen - Säulen an der Südwest- und an der Nordwestecke - die bei Restaurierungsarbeiten eingesetzten Vierungen ebenfalls berücksichtigt. Diese beiden Bereiche sollen in den nächsten Jahren besonders intensiv beobachtet werden. Sie entsprechen in ihrer mikroklimatischen Situation zwei verschiedenen Beanspruchungen. Wegen der Vielfalt der in diesen Bereichen bei Bau und Restaurierung verwendeten Gesteinstypen und Varietäten können sie als repräsentativ für das Gesamtbauwerk angesehen werden.

Abbildung 214 Petrographische Karte des Brandenburger Tores, Nordseite, 1990.

Petrographische Untersuchungen

Von jeder der Gesteinsvarietäten wurde durch eine Kernbohrung eine Probe genommen. Die Reliefs wurden nur an wenigen Stellen unter der Maßgabe einer minimalen Beeinträchtigung beprobt.

Von jeder dieser Proben wurden zwei Dünnschliffe hergestellt:
- ein Schliff senkrecht zur Oberfläche, wobei besonderer Wert auf den Erhalt der Oberfläche gelegt wurde; und
- ein Schliff parallel zur Oberfläche in ca. 4-5 cm Tiefe.

Der erste Schliff diente zur Untersuchung des Verwitterungszustandes, der zweite zur Untersuchung des unzerstörten Gesteins. Bei sachgerechtem Einbau der Gesteinsblöcke liegen beide Schliffe senkrecht zur Lagerung des Sandsteins. Insgesamt wurden 53 Dünnschliffe angefertigt. Die Schliffe wurden polarisationsmikroskopisch untersucht. Dabei wurden folgende Daten erfaßt beziehungsweise gemessen:

- Struktur und Textur;
- Korngrößenverteilung und daraus abgeleitet die mittlere Korngröße und der Sortierungsgrad;
- Rundungsgrad;
- mineralogische Zusammensetzung von Sedimentationsmaterial und Bindemittel; und
- der Grad der Zerstörung an der Oberfläche.

An den kompakten Proben wurde das Wasseraufnahmevermögen gemessen sowie der zeitliche Verlauf der Wasseraufnahme und -abgabe erfaßt. Für Vergleichszwecke wurden Schliffe aus der petrographischen Sammlung des Mineralog.-Petrographischen Instituts und Museums verwendet. In Fällen, wo diese Schliffe nicht vorhanden waren,  wurden   neue  Schliffe   von   Museumsproben hergestellt, beziehungsweise wurden Proben definierter Herkunft aus der Lehrwerkstatt der Stuck- und Naturstein GmbH Berlin beprobt. Das betraf insbesondere die sächsischen Sandsteine. Für jede Varietät wurden Daten der makroskopischen und der mikroskopischen Merkmale, wie Zusammensetzung (Modalbestand), Struktur (zum Beispiel Korngröße, Kornform) und Textur (zum Beispiel Vorzugsorientierung, Schichtung) zusammengestellt.

Die Zahlenangaben unter »Modalbestand« stellen Schätzwerte dar. Nach einem speziellen Verfahren von Saltikov wurde die Korngrößenverteilung berechnet und hieraus wiederum die mittlere Korngröße abgeleitet. Die Standardabweichung der mittleren Korngröße (in %) wurde als Maß des Sortierungsgrades verwendet (Pettijohn).

Wichtiges Kriterium für die petrographische Typisierung war das Verhältnis der auftretenden metamorph überprägten Quarzkörner zu den Quarzen magmatischer Herkunft.

In der sich zur Oberen Kreidezeit senkenden Elb-talzone sedimentierte die gesamte Schichtfolge des heutigen Eibsandsteingebirges. Als Einzugsgebiete für das Sedimentationsmaterial füngierten im Nordosten die Lausitz und  im  Südwesten das Erzgebirge. Während sich in der Lausitz die zwischen Präkambrium und Karbon intrudierten Granite und Granodiorite in der Kreidezeit in Hochlage befanden und zur Abtragung kamen und damit magmatisches Material in die sich zu dieser Zeit senkende Elbtalzone lieferten, steuerten die im Südwesten lagernden erzgebirgischen Gneise und Glimmerschiefer vor allem metamorph überprägte Quarze zur Sandsteinbildung bei. An Vergleichsdünnschliffen Schlesischer Sandsteine aus der Sammlung des Naturkundemuseums Berlin zeigte sich, daß diese stets unter einem Prozent metamorpher Quarze führen (Sächsische Sandsteine 3-15%). Als Quelle für die Schlesischen Sandsteine kommen vor allem die oberkarbonischen Granite des Iser- und Riesengebirges sowie das Lausitzer Granitmassiv in Frage.

Typisches Kennzeichen der Cottaer Sandsteine sind ihre Feinkörnigkeit, das Auftreten von Glaukonit (Gehalte: von Einzelkörnern bis zu 2%) und Amphibolen, eine relativ lockere Kornpackung, geringe Kornbindung sowie eine hohe Quote an Porenfüllung durch Tonminerale, Glimmer, Fe-Oxide und -Hydroxide. Nach unseren Erkenntnissen stammen die Varietäten l, l', 2, 3 und 10 aus den Brüchen des Lohmgrundes sowie die Varietät 12 aus Neundorf (südlich von Pirna), während für die Varietäten 8' und 6 keine genaue Herkunft ermittelt werden konnte.

Der mittelkörnige Postaer Sandstein zeichnet sich durch eine ausgeprägte Kornbindung, große Poren, schlechten Sortierungsgrad, den bereits erwähnten relativ hohen Anteil an metamorphen Quarzen und geringen Bindemittelgehalten aus. Eine genauere Lokalisierung der einzelnen Varietäten (3', 4, 4', 5, 7, 9, 11) ist nicht möglich. Es ist nicht auszuschließen, daß einzelne Werksteine von Postelwitz (Steinbruchbetrieb bis 1907) oder Reinhardtsdorf (1890 erstmals erwähnt) verbaut wurden, die bei der Kartierung als Postaer Sandstein eingestuft wurden.

Die Schlesischen Sandsteine sind fein- bis mittelkörnig, haben einen einheitlich guten bis sehr guten Sortierungsgrad und eine gut entwickelte Kornbindung. Sie enthalten kaum Tonminerale oder Glimmer; gelegentliche Einfärbungen stammen von geringen Gehalten an Fe-Erzmineralen. Die Feldspäte sind vollständig  oder  teilweise in Kaolin umgewandelt und dadurch als weiße »Punkte« schon mit bloßem Auge sichtbar. Als Gewinnungsort kommen die Brüche von Rack-witz in Frage. Vergleichsschliffe anderer Schlesi-scher Sandsteine zeigen deutliche Unterschiede zur hier beschriebenen Varietät 8.

An den untersuchten Proben konnten keine Oberflächenveränderungen in den Dünnschliffen nachgewiesen werden. Auftretende Verwitterungserscheinungen an den Originalblöcken aus Cottaer Sandsteinen (Varietäten 2,3,6, 8' und 10) erklären wir mit deren Gehalten an Glimmern, Tonmineralen und Fe-Erzmineralen.

Von der stark verschmutzten Westseite wurde eine Probe der Kruste zur Klärung des Mineralbestandes röntgenographisch untersucht. An kristallinen Phasen konnten Gips (CaSO4 x 2H2O und Quarz (SiO2) nachgewiesen werden. Der nachgewiesene Quarz stammt sehr wahrscheinlich aus dem Sandstein, der Gips muß als Neubildung aus Verunreinigungen der Atmosphäre angesehen werden.

Abbildungen 207-212 Marko- und Mikrostruktur der verschiedenen Gesteine.

Abbildung 213 Korngrößenverteilung der am Brandenburger Tor verbauten Sandsteine.

Tabelle Gesteinscharakteristike Cottaer, Postaer und Schlesischer Sandstein.

Die Verwendung der Gesteine

Es zeigt sich, daß bei den Restaurierungen zu verschiedenen Zeitpunkten bestimmte Gesteine bevorzugt wurden. Während in der Errichtungsphase sächsische Sandsteine aus dem Raum Cotta und Posta dominieren, sind die Restaurierungen um die Jahrhundertwende im wesentlichen mit schlesischen Sandsteinen ausgeführt worden. Der Wiederaufbau in den 50er Jahren ist im überwiegenden Teil in Cottaer Sandstein ausgeführt worden. Zu allen Restaurierungen ist jedoch »Altmaterial« wieder verwendet worden.

Der in der Literatur beschriebene Magdeburger Sandstein, d.h. Sandstein der Magdeburger Börde aus den Brüchen um Ummendorf, Worms-dorf und Velpke, konnte an keiner Stelle nachgewiesen werden. Das schließt nicht aus, daß im At-tikabereich einzelne Blöcke Wormsdorfer Sandsteins übersehen wurden, der sich von einer der Cottaer Varietäten makroskopisch nur durch das Auftreten großer Sekundärglimmer unterscheidet.

Zwei Blöcke im Attikabereich (Nordseite) bestehen aus Beton. Für die Ausführung der plastischen Arbeiten wurden zumeist ausgewählt homogene Blöcke aus den Fundgebieten von Cotta und Rackwitz verwendet.

Die petrographischen Untersuchungen des Brandenburger Tores bestätigen den insgesamt guten Erhaltungszustand des Bauwerks. Dieses ist sicherlich auch auf seine Lage in gewisser Entfernung von den Hauptverkehrsströmen der Stadt in den letzten 40 Jahren zurückzuführen. Es wäre im Sinne der Erhaltung dieses Bauwerks wünschenswert, wenn auch in Zukunft der Verkehr weiträumig um das Tor geführt werden könnte.

Lit.: Dieter Beeger u.a., Geologie und Denkmalpflege (Abh. des Staatlichen Museums für Mineralogie und Geologie zu Dresden, Bd. 35), Leipzig 1988. - Otto Burre, Die wichtigsten an Berliner Bauten in der Außenarchitektur verwandten natürlichen Gesteine nach Art und Herkunft, in: Jb. der Preußischen Geologischen Landesanstalt XL VII, 1926, S. 116-159. - Paul Dorn, Geologie von Mitteleuropa, Stuttgart 1960. - C. und A. Gäbert, Die nutzbaren Gesteinsvorkommen Deutschlands, Verwitterung und Erhaltung der Gesteine, in: Karl Weiss (Hg.), Handbuch der Steinindustrie, Bd. I, Berlin 1915. — Siegfried Grunert, Der Sandstein der Sächsischen Schweiz (Abh. des Staatlichen Museums für Mineralogie und Geologie zu Dresden, Bd. 34), Leipzig 1986. — 0. Herrmann, Steinbruch-Industrie und Steinbruch-Geologie, Berlin 1916. - Arnd Peschel, Natursteine, 2. Aufl., Leipzig 1983. - F. J. Pettijohn, Paul Edwin Potter und Raymond Siever, Sand and Sandstone, Berlin-Heidelberg-New York 1972. - Kurt Pietzsch, Geologie von Sachsen, Berlin 1962. - S. A. Saltykov, Stereometrische Metallographie, Leipzig 1974. - Otfried Wagenbreth und Walter Steiner, Geologische Streifzüge, Leipzig 1982.

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